Gemeinsamer Antrag: CDU- und FDP-Fraktion im Rat der Stadt Sankt Augustin

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EVG - Antrag zu TOP 13.1.5 (öT)/6.1.1 (nöT) Rat am 05.10.2011

Stefanie Jung, Georg Schell

Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Sankt Augustin beschließt:
1.  Der Rat stellt auf der Basis seiner einstimmig gefassten Beschlüsse vom 21.05.2007 und 30.06.2010 fest, das Geschäftsmodell der Energieversorgungsgesellschaft Sankt Augustin mbH (EVG) mit dem Ziel einer Kommunalisierung der Energieversorgung in der Stadt Sankt Augustin fortzusetzen.

 

Der Rat lehnt es zur Erreichung dieses Zieles grundsätzlich ab, unvertretbare rechtliche oder wirtschaftliche Risiken für die Stadt Sankt Augustin, die Wasserversorgungsgesellschaft Sankt Augustin mbH (WVG) oder die EVG abweichend von dem durch den Rat für die EVG ursprünglich beschlossenen Geschäftsmodell einzugehen.
Das mindestens mehrheitliche kommunale Eigentum an dem Gasnetz und an dem Stromnetz stellt einen wesentlichen Zwischenschritt zur Umsetzung dieses Geschäftsmodells dar.
2.   Der Rat bekennt sich zu der 2007 mit der Stadtwerke Bonn-Beteiligungsgesellschaft mbH (SWBB) eingegangenen Partnerschaft, soweit sich diese ihrerseits zu der mit dem Konsortialvertrag vom 15.01.2008 vereinbarten Risikoverteilung insbesondere im Vertrag über die Anpachtung des Gasnetzes (ohne wesentliche Änderungen) bekennt.

3.  Sollte das Ziel des Geschäftsmodells der EVG nicht auf dem nach Ziff. 2 beschrittenen Weg erreicht werden können, verpflichtet der Rat die durch ihn in die Gremien der WVG und der EVG entsandten Vertreter, die jeweilige Geschäftsführung zu beauftragen, alternative Möglichkeiten zur Erreichung des Geschäftsmodells der EVG unter Wahrung des Ziels einer mehrheitlich kommunal beherrschten Energieversorgung in Sankt Augustin zu prüfen.

4.  Sollte Punkt 3 zum Tragen kommen, ist dem Rat als Grundlage seiner endgültigen Entscheidung für eines der alternativen Modelle eine Übersicht der rechtlichen und finanziellen Auswirkungen je Modell auf die betroffenen städtischen Gesellschaften, die Stadt selbst und die Gas- und Stromkunden in der Stadt Sankt Augustin vorzulegen.

5.  Solange ein endgültiger Netzerwerb noch nicht erfolgt ist, ist die wirtschaftliche Situation der EVG möglichst durch Fortführung des bisherigen Interimspachtverhältnisses Gas sowie durch Abschluss eines Interimspachtverhältnisses Strom zu sichern. Im Übrigen sind zuvörderst die Gesellschafter SWBB und WVG für die wirtschaftliche Situation der EVG verantwortlich.

Sachverhalt / Begründung:
Am 21. Mai 2007 hat der Rat beschlossen, den Zuschlag in dem Verfahren zur Vergabe des Wegenutzungsvertrages für die Gasversorgung in Sankt Augustin für ein Beteiligungsmodell mit der Maßgabe zu erteilen, dass in den abzuschließenden Verträgen (Konsortialvertrag, Gesellschaftsvertrag, Wegenutzungsvertrag, Gasnetzpachtvertrag etc.) die in dem Ratsbeschluss im einzelnen festgelegten Eckpunkte enthalten sind. Ziel des Rates war und ist die Kommunalisierung der Energieversorgung in Sankt Augustin. Das Geschäftsmodell der EVG geht – vereinfacht dargestellt – davon aus, dass die EVG die Versorgungsnetze erwirbt, um sie dann für den Betrieb an einen Ressourcenpartner zu verpachten. Dieser Ressourcenpartner zahlt dafür eine Pacht, die der EVG nicht nur die Refinanzierung des Kaufpreises (Zins + Tilgung) ermöglicht, sondern neben der Deckung weiterer Kosten auch noch stabile Jahresüberschüsse garantiert, die wiederum unmittelbar oder mittelbar den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Sankt Augustin zu Gute kommen. Diese Pacht wird nach einem 2008 zwischen der SWBB, der Stadt Sankt Augustin und der WVG festgelegten Mechanismus berechnet, der gleichzeitig auch eine ausgewogene Risikoverteilung enthält. Die diesem Mechanismus zugrundeliegende Risikoverteilung wird nun allerdings vom Partner SWBB in Frage gestellt. Ohne einen auskömmlichen Pachtzins und eine ausgewogene Risikoverteilung ist ein wirtschaftlicher, ohne mit erheblichen Nachteilen für die Stadt Sankt Augustin verbundener Erwerb der Versorgungsnetze Gas und Strom nicht möglich. Welche konkreten Nachteile mit den durch die SWBB vorgelegten Änderungen des Pachtentgeltberechnungsmechanismus verbunden sind, ist Gegenstand laufender Beratungen und Prüfungen des Aufsichtsrates der EVG. Daher ist es nicht ratsam, endgültige Entscheidungen zu treffen, ohne die Folgen umfassend abschätzen zu können. Dies ist in einem ersten Schritt Aufgabe der Aufsichtsräte von WVG und EVG und dann in einem zweiten, abschließenden Schritt Sache des Rates.
Die nach Abschluss des Konsortialvertrages eingetretenen Änderungen im regulatorischen Umfeld erklären die seitens der SWBB einseitigen Vertragsänderungswünsche nicht. Denn wie schon in der Drucksache Nr. 07/0014/2 vom 27.08.2007 (nicht-öffentlich) ausführlich ab Seite 15 dargestellt, wurde die zwischen den o.g. Partnern im Konsortialvertrag vom 15.01.2008 gewählte Risikoverteilung im vollen Bewusstsein des zum 01.01.2009 anstehenden Überganges von der Kostenregulierung zur Anreizregulierung vereinbart.
II.
Durch die unterschiedlichen Auslauffristen von Konzessionsverträgen (Gas 2007 / Strom 2009 / Wasser 2017) ist der Ausbau der EVG zu einem vollwertigen Stadtwerk nur in einem gestuften Verfahren möglich. Hierfür ist es in einem ersten Schritt erforderlich, Eigentum sowohl an dem Gasversorgungs- als auch an dem Stromversorgungsnetz zu erlangen. In einem zweiten Schritt ist es sodann geplant, die Versorgungsnetze Gas und Strom nach Auslaufen der Wasserkonzession im Jahre 2017 mit den Versorgungsnetzen Wasser gesellschaftsrechtlich zusammenzuführen. Erst mit diesem zweiten Schritt wäre die Kommunalisierung der Wasser- und Energieversorgung in Sankt Augustin abgeschlossen und ein vollwertiges Stadtwerk gegründet.
III.
Aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger betrachtet muss es in diesem Prozess Maßgabe des politischen Handelns sein, neben der Erhaltung der Versorgungssicherheit und der Erwirtschaftung von Gewinnen für die Stadt Sankt Augustin – mittelbar oder unmittelbar – einer Erhöhung der heute schon zu zahlenden Netznutzungsentgelte sowie auch der Energiepreise entgegenzutreten. Netznutzungsentgelte sind in dem heute geltenden regulatorischen energiewirtschaftlichen Rahmen sehr stark von der Effizienz eines Netzes und damit auch von der Höhe des für ein Versorgungsnetz zu zahlenden Kaufpreises abhängig. Sollte eine entsprechende Refinanzierung über das Netznutzungsentgelt möglich sein, so hätte dies eine – politisch nicht gewollte – Preiserhöhung zu Lasten der Endkunden zur Folge. Im Falle der fehlenden Refinanzierbarkeit würde ein Verlust zu Ungunsten der EVG und damit auch der Stadt Sankt Augustin erfolgen.
Höchstrichterlich ist bedauerlicherweise bis heute nicht entschieden, nach welchem konkreten Berechnungsmechanismus der Wert und damit auch der Kaufpreis eines Versorgungsnetzes zu ermitteln ist. Obergerichtlich scheint sich die Rechtsprechung in Richtung eines reinen Ertragswertes zu bewegen. Steht dieser Berechnungsmechanismus auf Basis des Ertragswertes höchstrichterlich jedoch fest, besteht auch für die das Eigentum an den Versorgungsnetzen abgebenden Unternehmen kein Handlungsspielraum mehr, durch einen überhöhten Kaufpreis prohibitive Wirkungen zu Lasten eines Neukonzessionärs zu erzeugen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird einerseits aus Sicht der Endkunden und andererseits aus Sicht der Stadt respektive von WVG und EVG eine wirtschaftlich auskömmliche Situation durch das Fortführen von Interimspachtverhältnissen geschaffen.
Insoweit stehen den öffentlich beklagten Kosten im Zusammenhang mit der Kommunalisierung bislang Erträge aus dem Interimspachtverhältnis entgegen, die diese Kosten deutlich übersteigen und die zudem Vereinen, Verbänden und Institutionen jährlich finanzielle Unterstützung durch Sponsoringmaßnahmen zukommen lassen.
IV.
Um das Ziel einer vollständigen Kommunalisierung zu erreichen ist es zunächst ausreichend, nicht nur im Hinblick auf die EVG sondern auch im Hinblick auf eine EVG-Netzgesellschaft durch die Stadt Sankt Augustin beherrschenden Einfluss auszuüben. Ein solcher beherrschender Einfluss ist gesellschaftsrechtlich schon dann gewahrt, wenn die öffentliche Hand (durchgerechnet) zu mehr als 50,1% an der jeweiligen Gesellschaft beteiligt ist (vgl. das aktuelle Beispiel Lohmar). So werden in sachgerechter Weise Chancen und Risiken sowie Vor- und Nachteile zwischen den Partnern verteilt. Entscheidend ist für die Verwirklichung des Geschäftsmodells der EVG dabei nicht, wer von verschiedenen gleichkompetenten Unternehmen der Partner ist - entscheidend ist der beherrschende Einfluss der Stadt Sankt Augustin und ihrer Gesellschaften.

FDP Sankt Augustin News vom 05.10.2011